Das mit dem SH kennen vielleicht viele hier...und es ist daher verständlich, dass Du so hin und her gerissen bist.
Das Schlimme ist, dass auch ich, zumindest vom Kopf her, lernen musste, dass man das uns eingepflanzt hat. Manchmal sind die´Wurzeln so stark, dass man sie nicht so leicht entfernen kann, denn irgendwo finden sich immer und immer wieder welche, die einem zu verstehen geben: "Man" ist grauslich, "man" ist an allem schuld, "man" hat diese oder jene Eigenschaft die "niemand" hat, usw. "Man" ist furchtbar, schrecklich, usw.
Dieses Gefühl kenneich nur zu gut. In diesen Momenten kommt man zu dem Schluss, dass eh alles keinen Sinn macht, das "man" selbst das Problem ist.
Irgendwo aber, in einer kleinen Ecke unseres Herzens, wenn sie dann von jemanden, den wir lieb haben berührt wird, wissen wir, dass es ja doch nicht so ist, weil wir es nicht waren, weil wir dazu nichts beigetragen haben und "es" nicht wegen uns passiert ist. Irgendjemand, von all diesen Menschen die hier schreiben und von uns, hat für einen Zeitraum unser Leben so bestimmt, dass wir erst fassen müssen, dass wir es jetzt selbst dürfen; immer wieder werfen uns unsere Gefühle aber in die alte Welt zurück die wir kennen. Das ist das, was ich bis jetzt "gelernt" habe. Logisch erscheint es mir, doch meine Gefühle machen mit mir genauso was sie wollen, wie die Deinen mit Dir und dann ist die Verzweiflung wieder enorm groß.
Erst gestern hat mir ein lieber Mensch gesagt, dass das Wichtigste, das Menschen wie Du, "die Anderen" und ich zu bewältigen haben ist, unsere Gefühle unter Kontrolle zu bringen und nicht sie uns kontrollieren zu lassen. Dazu habe ich in dem Moment meiner Verzweiflung nur denken können, ja, aber wie g e h t das? Darin liegt sicher unsere Arbeit mit uns selbst. Vielleicht ist es wichtig, den Zorn auf den oder die Menschen richten zu können, die uns so lange gequält haben - gefühlsmäßig. Vielen Menschen gelingt das - ich kann das nicht. In meinem Kopf spucken immer so Gedanken herum die mich fragen: Und was ist, wenn "er" Gründe gehabt hat, wenn ich irgendetwas getan, ausgestrahlt habe, was den Anlass dafür gegeben hat - dann hat er es wohl weit überzogen, aber der Grund liegt dann aber bei mir. Und so gelingt es nicht, mir nicht, auf ihn, oder generell, auf andere Menschen richtig sauer zu sein. Bei mir macht sich das Gefühl der Verzweiflung, Vernichtung breit, mehr nicht. Und an Tagen, wo es dann besonders schlimm ist, dann fühle ich mich schmutzig, ekelerregend, und denke schlimme Gedanken und muss mich ebenfalls zusammenreißen, daran denken, dass da eine Handvoll Menschen ist, die mir mit Sicherheit das Beste wünschen, die verdammt traurig wären, denen ich das zumuten würde, was ich selbst empfinde. In diesem Moment geht es mir zwar nicht besser, aber um nichts in der Welt würde ich jemanden diese Gefühle zumuten wollen, nicht mal "ihm", weil es so scheußlich ist . . . und es würde fortsetzen, was ein Mensch begonnen hat.
Ich kenne das Gefühl, wenn man einen geliebten Menschen verliert - meine Tochter, die ich niemals mit einer eigenen Familie erleben darf, die so gute Eigenschaften hatte, die lachen konnte, so ein schönes Lachen und strahlende Augen dazu, und ich kann bis heute nicht fassen, dass der gleiche Mensch, dieses liebe, warmherzige Kind, das Leben einfach weggeworfen hat, und in ihrer größten Not nicht zu mir gekommen ist. Es ist ein so entsetzliches Gefühl, selbst jetzt, nach mehr als zehn Jahren, dass ich manchmal denke, daran zu ersticken während ich gleichzeitig verstehen kann, dass sie es getan hat, weil die Erinnerungen an all die Hässlichkeiten so furchtbar sind, die uns betroffen haben. Es ist ein ständiges Wechselbad und sitze in dieser Hochschaubahn und möchte aussteigen weil sie ein Tempo fährt, das ich oft glaube, nicht mehr ertragen zu können.
Unsere Familien, und einige Freunde, geben uns dann den Halt, manchmal denken wir, dass es nicht genug ist, aber sie sind da. Und das müssen wir uns vor Augen halten und gleichzeitig zumindest die Bremse ziehen.
Manchmal mag sie schrill quietschen, aber wie unangenehm es uns sein mag, mit ihrer Hilfe und mit professioneller Hilfe werden wir alle das irgendwie schaffen. Und dafür wünsche ich Dir - und den Anderen, das Beste. So denke ich heute, weil heute ein schöner sonniger Tag ist, und ein paar winzige Kleinigkeiten, für andere möglicherweise bedeutungslos, für mich schon ein Geschenk sind. Ich hoffe, dass Du die kleinen Geschenke auch erkennen kannst, damit das nächste Mal, wenn es Dir nicht gut geht, ein kleiner Halt da ist - auch wenn die Familie mal nicht Dein Tempo mitlaufen kann!
Alles Liebe,
N.
_________________ Man soll nicht das Eine sagen und das Andere denken.
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